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Tagebücher behalten?

Auf einem Fotoalbum liegt ein in Leder gebundenes Tagebuch. Tagebücher behalten?

…auch die nicht eigenen?

„Ein Tagebuch ist ein Verarbeitungsbuch. Wurde alles beschrieben und erledigt, kann es weg – dann hat es seinen Zweck erfüllt.“

Über das Thema Tagebücher behalten habe ich mich kürzlich mit einer Kundin ausgetauscht. Sie ist der Meinung, ein Tagebuch, und erst recht ihr eigenes, dient ihr zur persönlichen Verarbeitung vielerlei Dinge. Abschließend kann und darf es aber vernichtet werden, da der Inhalt niemanden sonst etwas angeht.

Ein Tagebuch müsse ihrer Meinung nach für alles Mögliche herhalten. Da stünden auch völlig unreflektierte Dinge drin, die sie rausgehauen hätte, ohne groß nachzudenken. Oftmals wären die Themen und Worte später nicht mehr von Bestand.

Jetzt stellen SIE sich mal vor, ein solches Tagebuch fällt Ihnen beim Entrümpeln in die Hände!

Von Ihrem Vater, Ihrer Mutter, einem nahen Verwandten oder Bekannten. Von einem Menschen, der nicht mehr lebt. Was würden Sie tun?

Behalten und wissen wollen, was im Tagebuch verewigt steht? Oder das Buch ungelesen entsorgen?

Zwei spannende Fragen, wie ich meine, da sich natürlich die Büchse der Pandora öffnen könnte.

Schließlich könnte es sein, dass Sie Dinge lesen und erfahren, die gar nicht für Ihre Augen bestimmt waren. Gedanken aus der Vergangenheit, die den Ist-Zustand von damals widerspiegeln, die aber heute keine Bedeutung mehr haben.

Neugier vor Schmerz oder Unheil?

Sie könnten Enttäuschung, Schmerz, Leid durchleben, ohne die Möglichkeit, bei der entsprechenden Person nachzufragen. Vielleicht entdecken Sie Geschichten oder Einzelheiten, die Sie tieftraurig, verstört oder verletzt zurücklassen. Welch ein Schaden entstehen könnte…

Und wie sehr das Leben des eigentlich vertrauten Menschens auf einmal in einem anderen Licht erscheint? Wie verändert oder gar verfälscht das Bild der verstorbenen Person zurückbleibt?

Ist es das wert?

Das nicht eigene Tagebuch beinhaltet immer das Leben, Fühlen und die subjektive Wahrnehmung einer anderen Person. Nicht zu vergleichen mit einem gut recherchierten, neutralem Sachbuch, auf dessen Inhalt man sich (hoffentlich) verlassen kann und das für die Öffentlichkeit gemacht ist.

Ein Tagebuch ist hingegen etwas zutiefst Persönliches und eigentlich nicht für „fremde“ Menschen bestimmt. Es sei denn, man erhält die außerordentliche Erlaubnis des Verfassers, das Geschriebene lesen zu dürfen!

Und selbst dann liegt es in der eigenen Verantwortung, sich dem Inhalt zu stellen oder eben nicht. Am besten macht man sich vorher bewusst, dass man mit dem Gelesenen zurechtkommen und (weiter-) leben muss. Im Guten wie im Schlechten.

Freiheit ist, eine Entscheidung zu treffen und die Konsequenzen bewusst auf sich zu nehmen.“

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Meine Kundin ist absolut überzeugt: Sie will ihre gesamten Tagebücher auf keinen Fall aufbewahren, sondern demnächst verbrennen. Der Inhalt sei nicht für die Nachwelt gedacht. Darin ist sie ganz klar, selbstbestimmt und willensstark.

Entscheidung zu Lebzeiten treffen

Bemerkenswert finde ich, dass sie ihre Entscheidung bewusst jetzt trifft und eben nicht Anderen überlässt, was mit ihren Tagebüchern passieren soll.

Wie sehen Sie das? Wollen Sie Ihre privaten Erinnerungen aus dem Tagebuch der Familie hinterlassen und mit ihnen teilen? Haben Sie sich über die Nachhaltigkeit der geschriebenen Worte bisher keine weiteren Gedanken gemacht? Oder ist Ihnen der spätere Verbleib Ihrer Tagebücher schlichtweg egal?

Ich wünsche Ihnen anregende Gedankengänge und Diskussionen mit Ihren Liebsten. Oder eben mit mir als Ihrer Sparringspartnerin: 06126-991575.